Kerstin Beckert | Wandel der Jahreszeiten: Frühling (1)

Wandel der Jahreszeiten: Frühling (1)

Lesedauer 5 Minuten

Kann ein Spaziergang denn Sünde sein?

     

    Es zwitschert wieder!

    Der Winter mit seinen eisigen Temperaturen und dem ewigen Grau – nur kurz unterbrochen durch eine fröhliche Schlittenpartie – kann einpacken. Endlich! Es wird wärmer (wenn man vom derzeit noch vorherrschenden Pingpong-Wetter einmal absieht), der Himmel blauer. Überall erwacht die Natur.

    Frühling!

    Igel und Siebenschläfer beenden ihren Winterschlaf. Meisen besuchen nur noch selten das Vogelhaus, Amseln singen in den Baumkronen, Elstern bauen eifrig am Nest. Und sogar die Saatkrähen streiten sich um den besten Platz im Baum. Auch die Blumen strecken ihre Köpfe aus dem Erdboden. Krokusse und Schneeglöckchen sind längst verblüht. Im Frühjahr nehmen ihren Platz fröhlich leuchtende Osterglocken, Ginster und die in zartem Rosa blühende Japanische Zierkirsche ein.
     

    Bild von: Kerstin Beckert
     

    Besonders „mutige“ Bienen fliegen schon früh von Blüte zu Blüte, Sträucher bekommen zartgrüne Knospen, später verströmt der Flieder seinen Duft.

    Man könnte direkt prosaisch werden.

    Die wärmeren Temperaturen und die Farbenpracht tun nach den letzten Corona-Monaten aber auch zu gut; lassen das ewige „Indoor“ und die mangelnde Bewegung leicht vergessen. Allzu verständlich, wenn es viele raus in die Natur zieht.

    Von März bis Juli

    Was für uns Menschen die lang ersehnte Naherholung ist, kann für wildlebende Pflanzen jedoch zum echten Stresstest werden. Für sie ist der Frühling eine sensible Zeit.

    Mit den immer länger werdenden Tagen beginnt zum Beispiel auch für seltene Wiesenpflanzen wie das bunte Vergissmeinnicht, gelbe Arnika oder rundblättrige Glockenblumen die Wachstumsphase. Bedrohte Schätze, z.B. die wild wachsenden Orchideen, gehören ebenfalls dazu.

     

    Bild von: Kerstin Beckert
     
    Auf den Äckern treiben zudem Wildkräuter wie Kornblumen, Mohn und Kamille aus. Sie alle dienen den Insekten als Nahrung und sind damit ein schützenswerter Teil der Artenvielfalt in der Natur.

     

    Bild von: Kerstin Beckert
     

    Doch gerade an Feiertagen oder Wochenenden sind viele Spaziergänger oder Wanderer unterwegs. Zu Corona-Zeiten gefühlt manchmal sogar ganze Heerscharen – vor allem, wenn es ein besonders schönes Fleckchen Erde ist. Für die Pflanzenwelt eine echte Herausforderung. Es sei daher sicherer, wenn Erholungssuchende generell auf den ausgewiesenen Pfaden bleiben. Sonst könnten die „ersten Keimlinge abseits der Wege schnell übersehen werden“, erklärt Janice Pahl vom Naturschutzbund Deutschland (NABU).

    Leicht zu übersehen

    Ähnliches gilt für die Tierwelt. Paare balzen, finden sich. Nester werden gebaut, Jungtiere geboren und aufgezogen. Für all das brauchen die Tiere Ruhe und Kraft.

    Kommt man dann beispielsweise Vögeln zu nah, ist es möglich, dass sie aufgeschreckt auffliegen oder gar „beim Nestbau gestört werden“, sagt Janice Pahl. Durch die Störung könne es „schnell passieren, dass sie ihre Nester aufgeben“. Ein Problem bei vom Aussterben bedrohten Arten, die meist nur einmal im Jahr ihre Jungen aufziehen.

    Zudem seien die Nester von bodenbrütenden Vögeln (z.B. von Feldlerche, Rebhuhn oder Kiebitz) abseits der Wege nicht immer sofort zu erkennen, so Pahl. Das Gleiche gilt für das Gelege von Stockenten, die häufig im hohen Gras ihre Eier ausbrüten. In der Wiese suchen außerdem oft Rehkitze und Hasenjunge Schutz. Insekten bestäuben Blüten. Verlässt man die Wege im Wald oder geht querfeldein, könnten sie alle unnötig gestört werden.

    Bei scheinbar verlassenen Jungvögeln gibt es laut Pahl ebenfalls einiges zu beachten. Ist man sich unsicher, sei es das Beste, „zunächst eine Tierauffangstation zu kontaktieren und sich beraten zu lassen, bevor man einen Vogel einfängt. So erspart man dem Tier und auch sich selbst gegebenenfalls Stress“ (weitere Infos gibt es hier im Artikel „Jungvogel auf Abwegen“).

    Störungen verhindern

    Gerade in der Brut- und Aufzuchtphase können zudem herumstreunende Hunde die Wildtiere stören. Experten vom NABU empfehlen daher, die Schnüffelnasen in der freien Natur an die Leine zu nehmen. In Naturschutzgebieten ist dies sogar Pflicht, ein freilaufender Hund kann dort für den Halter teuer werden.

    Denn auch wenn uns das vierbeinige Familienmitglied ans Herz gewachsen ist: Im Grunde seines kleinen Herzens ist selbst ein Chihuahua nur ein Raubtier – naja, ein verschmustes. Aber bei einem wegfliegenden Vogel wird sogar ein gut erzogener Hund manchmal schwach.

    Wer mit dem Drahtesel unterwegs ist, kann laut NABU ebenfalls etwas für die Natur tun. Selbst wenn das Unterholz lockt: Radfahren ist nur auf Wegen erlaubt, die über zwei Meter breit sind. Abenteuerlustige sollten weiterhin nur ausgewiesene Mountainbike-Trails benutzen.

    Aus Rücksicht auf die Natur

    Je mehr Menschen unterwegs sind, desto größer die Belastung für Flora und Fauna. Deshalb hilft es schon viel, auf den Wegen zu bleiben, keine gesperrten Ruhe- oder Schutzzonen zu betreten, den eigenen Müll und sämtliche (!) Reste vom Picknick mit nach Hause zu nehmen, den Tieren für Selfies nicht zu nahe zu kommen. Auf den Websites von Naturparks und auf den Infotafeln in vielen Naherholungsgebieten gibt es oft Hinweise, wie man sich richtig verhält, und was man beachten sollte.

    Dann können sich die heimischen Wald- und Wiesenbewohner auch gut auf menschlichen Besuch einstellen. Tiere sind nämlich „in der Lage, zu lernen, welche Gebiete oder Wanderwege bevorzugt vom Menschen genutzt werden“, so Janice Pahl. „Sie meiden diese dann eher und suchen sich ihre Fortpflanzungs- und Ruheplätze außerhalb dieser Gebiete.“

    Um den Stress für die Natur zu reduzieren, brauchen Erholungssuchende und Unternehmungslustige also nur wenig zu tun. Ein bisschen Rücksicht kann sogar zum Artenschutz beitragen. Dann wird das Naturerlebnis im Frühling ganz bestimmt keine Sünde sein.

    Schmankerl zum Schluss

    Für Ratefüchse gibt es hier ein kleines Naturfreunde-Quiz mit weiteren Informationen (Naturfreunde-Quiz_Fragen, Naturfreunde-Quiz_Antworten).

    Ein ganz persönlicher Artikel über „Pandemische Spaziergänge“ und wie uns die Stille in der Natur gerade in Corona-Zeiten guttun kann, findet sich hier (Autorin ist Judith Hammer): https://norrview.de/wo-wir-uns-finden-ohne-zu-suchen/.
     
    Ich wünsche allen viel Spaß in der Natur!

     

    Bild von: Kerstin Beckert
     
     

    Weiterführende Infos

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