Toilettengeschichten: Welttag 2020
- https://de.wikipedia.org/wiki/Welttoilettentag
- https://www.unesco.de/kultur-und-natur/wasser-und-ozeane/un-weltwasserbericht-2020-wasser-und-klimawandel
- https://www.un.org/sg/en/content/sg/statement/2014-11-19/secretary-generals-message-world-toilet-day-scroll-down-french
- https://www.germantoilet.org/de/
- https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.welttoilettentag-2019-fakten-rund-ums-klo.a770b002-d9b0-4196-b8f0-3dcdc6d8d7a4.html
- https://www.deutschlandfunkkultur.de/un-welttag-der-toilette-ein-sauberes-klo-kann-leben-retten.2165.de.html?dram:article_id=463781
- https://www.br.de/wissen/toilette-klo-kulturgeschichte-100.html
- https://de.wikipedia.org/wiki/Toilette
- https://www.care.de/aktuelle-meldung/meldung/News/detail/dadaab-frauen-tragen-nicht-nur-wasser-sondern-auch-verantwortung
- https://www.welthungerhilfe.de/informieren/laender/syrien-tuerkei/sanitaere-anlagen-im-fluechtlingscamp/
- https://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/fluechtlingslager-moria-und-das-coronavirus-wenn-man-jetzt-krank-wird-hat-man-pech/25689280.html
Ganz persönlich:
Welttag der Toilette am 19. November 2020
Manche Situationen erfordern durchaus Humor. Gerade hänge ich kopfüber in einer Schüssel, wasche meinen Pony, und das erste, was mir einfällt, ist ein Witz aus einem Film-Klassiker mit Heidi Kabel. Darin ruft sie (übersetzt) zu ihrer kleinen Nichte: „Klein Erna, komm rauf, Füße waschen, wir brauchen die Schüssel gleich für den Salat!“. Naja, die Füße wasche ich gerade nicht in meiner Schüssel, dafür aber die Stirnfransen.
(Bild: von Nic Mair auf Pixabay)
Warum ich das tue?
Ein Survival-Training mitten in der Sahara ist es nicht. Sondern viel einfacher. Die Warm- und Kaltwasserleitungen in unserem Mehrfamilienhaus werden saniert. Für Unerfahrene klingt das vermutlich sehr langweilig und v.a. nach Dreck. Doch dieses Problem habe ich eher nicht. In meinem Fall bedeutet „Rohrsanierung“ nämlich: zwei Tage lang kein Wasser! Von morgens bis abends kein einziger Tropfen, der aus den Rohren dringt. Und das in der aktuellen Homeoffice-Zeit (Grund: das „C-Wort“)! Auskommen muss ich mit dem, was ich am Abend zuvor gesammelt habe. Eine ausreichend gefüllte Badewanne (dachte ich, was war ich naiv!) steht mir zur Verfügung. Dazu jegliches Rund, das sich in meinem Haushalt findet und auch nur ansatzweise als Wassersammelgefäß geeignet ist: Kannen, Töpfe, Eimer – und eben die zuvor genannte Salatschüssel.
Das sollte eigentlich reichen. Doch gleich die ersten Stunden zeigen: Ich bin mir nicht wirklich bewusst, wie viel Wasser ich als Durchschnittsmensch täglich benötige. Allein die morgendliche Rundumwäsche! Dazu kommen der heißgeliebte Kaffee, die Kanne Tee am Nachmittag, und alle Getränke, die nicht aus einer Flasche stammen (Plastik soll man aus ökologischen Gründen ja sparen). Ganz ohne Spülen kommt Hausfrau ebenfalls nie aus, auch nicht ohne Essenkochen, Hände- oder Obstwaschen, Zähneputzen – und den regelmäßigen Gang zum Klosett. An vielem lässt sich sparen, nur daran leider nicht. Auch wenn ich für diese zwei Tage das meiste schon soweit reduziert habe, wie möglich. Aber der Toilettenbesuch verbraucht sehr viel Wasser (durchschnittlich ca. 10 Liter pro Spülgang). Das überrascht mich eigentlich nicht.
Öfter mal was Neues
Was mich aber überrascht: Man steht plötzlich vor Problemen, bei denen man nicht dachte, dass es sie überhaupt gibt. Soll ich das Nudelwasser direkt im Topf aus der gleichen Badewanne schöpfen, in die ich vorher die Schüssel für die Stirnfransen getaucht habe? Oder beim nächsten Mal doch lieber eine große Schöpfkelle nehmen? Und wenn man für die morgendliche Körperpflege nur eine Schüssel Wasser zur Verfügung hat, fragt man sich zur eigenen Überraschung: jetzt Körperwäsche, oder doch zuerst die Zähne? Wie putze ich die Zahnbürste aus (Tipp: vorher immer einen vollen Wasserkocher aufheizen)? Wie bekomme ich das Wasser aus der Badewanne möglichst schnell und ohne Verluste zur Toilette? Und wie „spüle“ ich möglichst effektiv? Überhaupt: Soll ich das Wasser vom Händewaschen wegschütten, oder kann ich es nicht doch noch für etwas gebrauchen? Als die Badewanne immer leerer wird, die Uhr aber noch über 5 wasserfreie Stunden ankündigt, habe ich meine Antwort. Für die handgemachte Klospülung eignet es sich immer noch. Wenn die Ressourcen knapp werden, ist man weniger zimperlich.
Klingt nicht gerade nach dem appetitlichsten Blogbeitrag, oder? Eher nach „No-Go“, denn Partygespräch. Also, warum erzähle ich das? Ich erzähle es, weil ich in einer dieser knappen Stunden ohne Wasser plötzlich daran gedacht habe, wie gut es mir normalerweise geht. Für mich sind all die Einschränkungen eine Anekdote, über die ich bald fröhlich lachen werde. Und glaubt mir: Komik hat die Situation!
Nicht lustig
Aber es gibt Menschen, die erleben das jeden Tag. Rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr. Für sie ist die Wasserknappheit kein ewig währender Camping-Urlaub mit Survival-Feeling, sondern bittere Realität. Für diese Menschen will die Einschränkung des Notwendigsten einfach nicht aufhören. Und zum Lachen ist ihnen deshalb sicherlich nicht. Zwar kann ich mit meinen zwei Schmalhans-Tagen wohl nur erahnen, vor welchen Problemen sie wirklich stehen. Was ich aber weiß: In vielen Ländern schleppen Frauen riesige Wassergefäße über große Distanzen, um ihre Familien zu versorgen. In Flüchtlingscamps am Rande der Welt sind für die alltägliche Hygiene oft nur Schüsseln oder ähnliche Behältnisse verfügbar. Sie haben keine Badewanne als Wasserreservoir. Auch Duschen gibt es viel zu wenige. Frauen stehen wegen ihrer Regel vor ungeahnten Problemen, Mütter wissen nicht, wie sie die Windeln ihrer Kinder mit heißem Wasser auswaschen sollen. Und auch kleine Hände wollen nach dem Spielen gewaschen werden. Gibt es keinen Strom, wird das Kochwasser notfalls über Feuerstellen oder mit dem Gaskocher erhitzt (Branntgefahr). Zudem müssen die Menschen ihre Bedürfnisse irgendwo erledigen, vermutlich „möglichst weit weg“. Denn Toiletten sind eher Mangelware, die Abwasserrohre brechen, oder es stehen nur Jauchegruben zur Verfügung. Laut dem UN-Weltwasserbericht 2020 werden global „bis zu 90 % aller Abwässer unbehandelt abgelassen“. Weltweit sind viele Menschen also nicht einmal an ein einfaches Kanalsystem angeschlossen, das ihr Abwasser vom dringend benötigten Nutzwasser trennt. Und nach Aussagen der World Toilet Organization haben rund 40 % der Weltbevölkerung keinen Zugang zu einer Toilette. Unter diesem Aspekt erahnt man erst, welche Errungenschaft selbst ein (sauberes!) Dixi-Klo sein kann.
Echte Herausforderung
Und noch etwas kommt hinzu: Die Organisation der optimalen Wasserverwendung benötigt Zeit. Auch wenn man voraussetzt, dass man irgendwann eine gewisse Routine in den Abläufen entwickelt, so erfordert der umsichtige Gebrauch des wenigen, zur Verfügung stehenden und sauberen Wassers doch stetige Konzentration. Was in Ländern oder Camps ohne funktionierende Kläranlage sicherlich auch nicht einfach ist. Wie ein Campingurlaub im weiten Nirgendwo. Aber er hört so schnell nicht auf. Für viele Menschen gibt es keine Perspektive auf ein schnelles Ende. Das ist mir in einer dieser wasserknappen Stunden plötzlich in den Kopf geschossen. Und es geht da auch nicht mehr raus! Plötzlich bekommen die Bilder der Flüchtlinge aus dem Fernsehen eine ganz andere Färbung. Ich sehe Menschen, denen selbst das Nötigste für ein menschenwürdiges Leben fehlt. Und ich mag mich nicht mehr aufregen, wenn ich höre, dass sie sich ein besseres Leben, bessere Zustände wünschen.
Prägende Erinnerung
Die Tage ohne Wasser sind bei mir schon lange vorbei. Aber die Gedanken, die sie in mir ausgelöst haben, werde ich wohl nicht mehr so schnell los. Und ich fand, dass dies ein guter Grund wäre, um am „Welttag der Toilette“ über jene Menschen zu schreiben, die auch nur möchten, was wir haben: das Nötigste, und vielleicht ein klein wenig mehr. Bei denen die Einwanderung in ein fremdes Land nicht unter „berufliche Weiterentwicklung“ fällt, sondern die einige bei uns als „Wirtschaftsflüchtlinge“ bezeichnen.
Und das ist mir einen (ganz persönlichen) Blogbeitrag zum „Tag der Toilette“ allemal wert. Ich werde mich ab sofort bei jedem Besuch darüber freuen, dass mein Örtchen ein stilles ist – und dass es einen Spülknopf mit funktionierendem Abwassersystem hat.
Ein Hoch auf die gekachelten Räume!
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